25.08.2024, im Zug von Berlin nach Hannover
Tja, regelmäßig Blog schreiben ist schon auch eine Verpflichtung, der man erstmal gerecht werden muss. Da ich mir aber eh nicht sicher bin, ob sich das hier jemand durchliest, habe ich überhaupt nicht das Gefühl, regelmäßig etwas verfassen zu müssen. Warum tue ich das dann gerade wieder? Ich möchte gern meine eigenen Erlebnisse in diesen ersten 9 Monaten der Selbstständigkeit aufschreiben. Vor allem die bürokratischen Aufgaben und Erlebnisse will ich auch für mich selbst festhalten, damit ich es später noch weiß, bspw. auch, wenn ich nach meinen Erfahrungen und Schritten gefragt werde.
Schauen wir mal, ob es so schlau ist, hier ganz ehrlich zu sein. Ich habe ja doch etwas Angst, mal wegen Steuerfalschmacherei ins Gefängnis zu kommen. Ich kann euch gleich sagen, dass man wirklich bei Null anfängt, wenn ein eigenes Business oder ähnliches bis dato nicht dein Tagesgeschäft waren. Ich hatte ja keine Ahnung. Vermutlich habe ich die auch immer noch nicht wirklich. Es ist aber alles legal hier – soweit ich weiß.
Anfang Dezember 2023, Portugal: Ich hatte mein Zertifikat in der Hand und bin in einem absoluten Bliss nach Deutschland zurückgeflogen. Vor mir stand nun der nächste Lebensabschnittswechsel: mein Umzug von Berlin nach Delmenhorst; die letzten 10 Arbeitstage in meinem alten Job im Berliner Büro; Weihnachten, Geburtstag und Silvester. Da war viel los. In all dem bat ich eine liebe Freundin, ebenfalls Yogalehrerin, mein Testimonial zu sein: Ich unterrichtete eine Online Yoga Stunde im Yin Yoga für sie. Laptop aufbauen, Zimmer umräumen um Platz zu schaffen, Asanas vorbereiten usw. Ich war sehr aufgeregt, aber meine Freundin ganz entspannt danach. Yippieh! Ich hatte ihr die Stunde geschenkt; nutze meinen Zoom Bezahl-Account (160,- EUR pro Jahr) dafür und kam mit der Laptop Kamera sowie meinen InEars ganz gut klar. Es war nicht perfekt, aber die Hauptsache war, dass ich dran blieb und nicht wartete bis der perfekte Moment kam, um Unterrichtserfahrung zu sammeln. Mein Freund hatte zuvor in echt die Yogastunde bekommen, die ich als „Prüfung“ in der Ausbildung ablegte. Neue Situation für uns, aber hey – von nichts und so. Jedenfalls übernahmen dann der Stress und eine Erkältung und in mir keimte der Druck, unterrichten zu müssen. Ich überwand also meinen inneren Schweinehund und bot einem großen Kreis an Freund:innen und Bekannten an, am 31.12. eine Yogastunde online zu besuchen. Verbunden mit dem Jahresabschluss und dem neuen Jahr vor der Nase war es inhaltlich sicher total schön. 15 Personen waren online; der Wintergarten dafür voll umgeräumt; ich unzufrieden mit dem Setting und nervös mich zu präsentieren. Das Feedback war positiv, aber ich konnte das nicht annehmen und war fix & fertig. Es fühlte sich gar nicht gut an und ich war doch in Zweifel, ob Unterrichten für mich das richtige wäre. Auch diese Stunde war ohne Kosten für die Teilnehmenden verbunden, denn ich hatte große Angst, Geld für etwas zu verlangen, dass ich gar nicht offiziell anmeldete. Auf die weiteren Erfahrungen im Unterrichten möchte ich noch mal separat eingehen, denn zunächst darf ich den unschönen Bürokratie-Part abarbeiten.
Für mich war jedenfalls schnell klar, dass ich meine Selbstständigkeit anmelden möchte. Ich hatte wirklich Sorge, dass ich Ärger bekomme, wenn ich unangemeldet Geld für meine Arbeit verlangte. Ich zögerte es jedoch lange hinaus, setzte das Wort „Finanzamt“ immer wieder auf meine To Do Liste. Anfang Februar dann, wieder auf einer Zugfahrt, war es dann soweit: Ich nutze Google und war erschlagen. Freiberuflich oder Kleingewerbe. Was? Die Branche streitet sich, was für Yogalehrende gilt. Ich fand einen Artikel in der Suche, der klar machte: Yoga ist ein Gewerbe, also muss man dies anmelden! Die Autorin des Artikels ist selbst Yogalehrerin und arbeitet in einer Bank, hat viel Erfahrung von diesem Business hinter dem Unterrichten und bot ein Mentoring an. 500,- EUR für 3h Begleitung + 1h Nachsorge + Handouts… well, ich habe nach einem Kennlerngespräch zugeschlagen und hoffte, sie löst alle meine Probleme, denn ich verstand nichts und fühlte mich so unendlich dumm. Gewerbesteuer? Rentenversicherungspflichtsgrenze? Hä!? Der vereinbarte Mentoringtermin war meine Motivation meine Selbstständigkeit anzumelden. Ich fand heraus, dass das online geht, über Elster. Ich hatte auch schon einen Check-Plan der Mentorin bekommen, auf dem auch die Krankenkasse und IHK standen. Nun gut. Der Mut verließ mich oft, aber es half nichts. Ich wollte es nicht unangemeldet durchziehen. Elster kannte ich durch meine Steuererklärung und hatte da noch ein Konto. Ich fand dann auch den Antrag, den ich online stellen musste… 15 Seiten!? 15 Seiten und ich verstand außer „Name, Anschrift, Firmenname“ nichts. Nun gut, ich wartete auf mein Mentoring, denn in der Zeit könnten meine Fragen geklärt werden. Aber dieses Mentoring war nicht auf mehrere Termine aufgeteilt, sondern fand auf einmal statt. Und es gab definitiv keinen Grundlagenkurs in Selbstständigkeitsanmeldung, sondern das sollte ich alles schon wissen. Ich bekam einen Businessplan, aber wollte doch nur eine Schulter zum Ausheulen, die mir die Arbeit abnimmt. Nein, das bekam ich nicht (K., falls du das liest – ich bin dir nicht böse, sondern hatte andere Erwartungen!) und musste dran bleiben. Also setzte ich mich hin und ordnete die Begrifflichkeiten; konnte meiner Mentorin Mails schreiben und sie fragen, ob ich es richtig verstand. Ja, tat ich, es lichtete sich etwas und hier ist das, was ich mir als Word Datei abgespeichert habe (Stand Februar 2024):
1) Umsatz nicht höher als 22.000,- EUR im Jahr, sonst ist die Kleinunternehmerregelung hinfällig und du musst Mehrwertsteuer draufschlagen und abführen (Update August 2024: Die Umsatzgrenzen für die Kleinunternehmerregelung sollen auf 25.000,- EUR pro Jahr erhöht werden.)
2) Gewerbesteuer fällt ab 24.500,- EUR Gewinn an
3) Rentenversicherungspflichtig wirst du ab 538,- EUR Gewinn pro Monat (Update August 2024: erhöht sich wohl auf 556,- EUR)
4) Einkommenssteuervorauszahlungen musst du ans Finanzamt zahlen, wenn du mehr als 11.604,- EUR Gewinn pro Jahr erwirtschaftest.
Details und konkrete Nachfragen sammle ich weiter fleißig in meinem Word Dokument, damit ich mich daran erinnere, wenn ich mich wieder in das Thema denken darf. Dies wird spätestens nächstes Jahr passieren, wenn ich mich an meine Steuererklärung setzen darf. Dazu fragen dann Finanzamt und Rentenversicherung bei mir nach, wie es um meinen Gewinn steht? Ich werde es herausfinden.
Ok, die Theorie sitzt (& wackelt), die Praxis läuft an und ich kam u.a. durch meine Vertretungsstunden im Studio am Stern in Bremen in die Situation Rechnungen schreiben zu dürfen. Aber dafür bräuchte ich meine neue Steuernummer für „Mirella Yoga“. Anfang März stellte ich den Antrag auf nebenberufliche Selbstständigkeit via Elster. Es wurde Ende März. Anfang April. Mitte April. Keinerlei Rückmeldung vom Finanzamt. Erneut Schweinehund überwinden und anrufen. Ahja, es steckte irgendwo im System fest und nach langer Warterei gab es Post. Juchey, meine Steuernummer. Und ein zweiter Brief. Noch eine Steuernummer? Beide ausgestellt auf „Mirella Yoga“? Nun gut, wieder griff ich zum Telefon. Ca. zwei Wochen lang wurde ich von Kollegin zu Kollegin weitergereicht, weil „eigentlich kann das ja nicht sein, keine Ahnung, da liegt ein Fehler vor, aber ich bin dafür nicht zuständig“. Als endlich mal jemand zuständig war, gab es die Aufklärung: Eine Steuernummer war für „Mirella Yoga“, die andere für mich als Privatperson & Angestellte. Na sowas. Wieso passiert mir das eigentlich immer? Was will mir das Universum sagen? Ich finde das noch heraus.
In der Zwischenzeit telefonierte ich mit meiner Krankenkasse und die waren sehr hilfreich und zuvorkommend. Mir wurde ein Antrag per Post zugeschickt, den ich ausfüllen musste, u.a. mit Halbwissen zu meinen geplanten Einkünften und dem Hinweis, dass ich keinen Steuerberater habe, sondern mir alles selbst aus den Fingern sauge. Es musste dann noch besprochen werden, wie das mit dem ALG 1 wird, wenn ich das ab Juli 2024 bekommen sollte. Soweit so gut – ich denke, dass das ohne Probleme läuft. Auf der Checkliste stand noch die Rentenversicherung. Ich versuche ja mit meinem Gewinn unter der Rentenversicherungspflichtsgrenze zu bleiben. Die Person, die ich am Telefon hatte, meinte, dass ich sie dann auch über nichts zu informieren brauche (tja liest man auch überall anders). Ich forderte diese Aussage dann schriftlich ein, damit ich nicht in zwei Monaten von einer anderen Person aufgebraucht angerufen werde, was ich mir denn einbildete nebenberuflich selbstständig zu sein und dass der Rentenversicherung nicht zu sagen. Dieses Schriftstück, das ich dann erhielt, bindet mich nun für fünf Jahre an diese Grenze und dass ich die je nur niemals übersteige. Sonst … keine Ahnung, ehrlich gesagt. Für mein Gewissen reichts.
Die IHK mischt auch noch mit, aber die werden wohl vom Finanzamt über neue Gewerbe informiert und irgendwann im Sommer bekam ich mein Schreiben mit der IHK Mitgliedschaft. Was dies bedeutet? Ja, weiß ich auch nicht. Werde ich merken.
Meine Angst vor der Steuererklärung wurde wieder größer nachdem ich meine private für 2024 kurz vor knapp noch einreichte. Ich hatte kurz darauf ein Gespräch mit dem Mann meiner Kosmetikerin, der sich sehr gut mit den ganzen Steuersachen auskennt. Der beruhigte mich, dass ich im nächsten Jahr einfach nur angeben muss, dass ich Nebeneinkünfte erzielt habe. Einnahme-Überschussregelung regelt. Fertig. Ich versuche mich jeden Monat an so etwas wie Buchhaltung und kann alle Einnahmen und Ausgaben belegen. Das hefte ich für mich ab und gebe es zitternd her, wenn ich von der Polizei gesucht werde. tbc im Januar 2025, denn ich will diese Steuererklärung einfach direkt am Anfang des Jahres machen, damit ich es hinter mir habe.
15.06.2024, im Zug von Delmenhorst nach Bielefeld
Wann fängt Yoga an? Wann "macht" man das erste Mal Yoga?
Jetzt, wo ich das erste Zertifikat einer 200h Ausbildung habe und selbst unterrichte, werde ich oft nach den Anfängen gefragt. Und ehrlich gesagt, habe ich das Gefühl, dass ich mit Yoga erst so richtig während der Ausbildung in Berührung gekommen bin: während Meditationseinheiten und spirituellen Ritualen und Formen, die wir erlebt haben. Also erlebe ich Yoga seit ca. 6 Monaten... Das ist gar nicht mal so lang, wenn man sich sonst so gern damit und darüber definiert, wie lang man etwas macht und sich damit auch die Berechtigung gibt, genau dies auch tun zu dürfen? Tja, nun ist es so - ich habe erst seit der Ausbildung verstanden, wie viel Welt in "Yoga" steckt und was ich noch alles entdecken kann.
Wenn ich Yoga nur als Asana-Praxis sehe, also den körperlichen Übungen und manchmal fälschlicherweise als Sport bezeichnet, dann praktiziere (auch ein Wort, dass ich erst seit ein, zwei Jahren verwenden, um davon zu berichten, dass ich Yoga "gemacht" habe), ich seit ungefähr 8 Jahren. Wie bei vielen hat es mit Mady Morrisson angefangen. Ich habe zu dem Zeitpunkt in München gelebt und kam gerade von einem Festival in Berlin wieder. Ich war etwas angeschlagen und hatte eine leichte Erkältung. Mein Körper war schlapp und müde und gleichzeitig konnte ich nicht mehr liegen, weil mein Rücken weh tat. Während eines Telefonats mit einer Freundin kam unser Gespräch auf das Thema, dass ich mich so unwohl in dieser Verfassung fühle. Sie selbst hatte gar nichts mit Yoga zu tun und hatte auch eine Empfehlung erhalten, aber jedenfalls hatte sie mir dann ein Video von Mady weitergeleitet. Ich glaube, es war eines der ersten Videos ihrerseits und sie war noch sehr auf die Anfänger:innen fokussiert. Es ging um einfache Dehnungen und Streckungen und gar keine irre Verknotung oder Verdrehung. Ich hatte damals ein Sofa von IKEA, das man easy zu einem Schlafbett umklappen konnte und der weiche Teil dann am Boden lag. Dies war meine "Yogamatte", denn ich hatte nichts dergleichen zu Hause. Ich war angefixt; die ruhige, sanfte, positive, leicht verträumte Art von Mady tat mir gut. Ich bekam ein Gefühl dafür, dieses Yoga nun auch endlich erleben zu können. Ich wurde mutiger und klickte mich durch die anderen Videos durch. Wieder gesund und fit hatte ich auch mehr Kraft für die sportlicheren Einheiten. An diese Entwicklung kann ich mich nicht mehr stepy by step erinnern, aber ich muss angefangen haben, regelmäßig zu praktizieren. Gerade die 10 bis 15min Videos passten perfekt in meinen Alltag und so war ich dann dabei und mittendrin.
Ich hatte gar nicht wirklich Ambitionen, denn ich bin nicht sehr flexibel, habe mich immer zu dick gefühlt und muss dennoch langsam aber sicher ein neues Körpergefühl entwickelt haben. Shavasana und so leicht esoterisch, spirituell angehauchte Beschreibungen oder Worte, die Mady mitgegeben hat, kamen bei mir jedoch nicht so gut an. "Diese" Welt war dann doch nichts für mich. Ihre positiven Worte sich selbst gegenüber aber wurden langsam aber sicher ein Ohrwurm in mir und entfalteten ihre Wirkung.
Schließlich traute ich mich irgendwann raus aus meiner Wohnung und wollte in eine echte Yogaklasse. Keine Ahnung, ob ich damals viel gesucht und verglichen habe, aber ich ging an einem Feiertag in eine Einheit meines Fitness Studios. Leider, leider weiß ich den Namen der Lehrerin nicht mehr, aber ich kann euch sagen, dass sie mich umgehauen hat. Im positiven Sinne. An Feiertagen bot das Studio immer 90min Kurse an und es war recht voll in dem Raum. Wie üblich habe ich mich erst mal weit nach hinten mit meiner Matte gelegt, aber die Lehrerin ermutigte gerade die Personen, die noch nie Yoga praktiziert haben (und als so eine Person habe ich mich gesehen), sich weiter nach vorn zu legen. Gesagt, getan. Es kam ein zweiter Mensch noch mit vor und so waren wir direkt vor ihr. Da sie aber so viel durch den Raum lief, spielte das dann doch auch keine Rolle. Ich kann mich nicht mehr an den Flow oder die einzelnen Elemente erinnern, aber diese Person, diese Yogalehrerin, hat meinen Ton getroffen. Sie hat mich berührt und Yoga hat mich berührt. Im Nachhinein war mein Fokus sicher nur auf den Asanas, aber ich bin mir sehr sicher, dass sich etwas Höheres eingewebt hatte und mit mir Kontakt aufnahm. Ich meine, ich kann mich nach 8 Jahren immer noch an diese Stunde und das Gefühl dabei und danach erinnern!
Nach der Stunde kam die Lehrerin zu mir und meinte, dass ich gelogen hätte, weil ich schon mal Yoga gemacht haben muss. Sie sagte das sehr freundlich und ich nahm es als Kompliment auf. Sicher würde ich mit meinem Vergangenheits-Ich aber immer wieder behaupten, ich wäre das erste mal in einer Klasse, denn mein bisschen Youtube-Yoga zählte ich nicht als Unterricht. Interessant eigentlich, dass man sich auch dabei wieder Definitionen sucht, die einem die Erlaubnis geben, etwas tun zu dürfen.
Danach war ich jedenfalls Feuer und Flamme: für Yoga & auch für die Frau. Leider unterrichtete sie immer nur die Feiertagsstunden und ich schaffte es in der ganzen restlichen München-Zeit (bis 2021) nur noch zwei, drei Mal zu ihr. Ich hoffe sehr, dass sie mir noch mal über den Weg läuft und ich ihr sagen kann, was ihre Klasse für mein Leben bedeutet hat. Normalerweise finde ich solche Sätze ätzend und schwierig und so bedeutungsschwanger. Aber während ich diese Zeilen als Yogalehrerin im Zug sitzen in meiner Selbstständigkeit im neuen Abenteuer schreibe, fühle ich es genau so!
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